Selfie-Trap mit Tiefgang

Der Künstler Ólafur Elíasson errichtet in Hamburg zwei Kunstwerke am neuen Alten Wall. Und regt mitten in Shopping-Lage ganz subtil zum Nachdenken an.

Auf den ersten Blick sehen die beiden Skulpturen ganz unscheinbar aus. Gut 100 Meter stehen sie voneinander entfernt. Und doch erlebt man eine Überraschung, sobald man sich direkt darunter positioniert: Die drei- bzw. viereckige Grundform der Aufbauten läuft nach oben hin leicht spitz zu und offenbart im Inneren ein cleveres Kaleidoskop aus Spiegelflächen, in dem sich die Farbe des Himmels und der Wolken sowie die reichen Details der umliegenden Gebäudefassaden abbilden.

Die kleine Momentaufnahme, die sich perfekt für die Frontkamera des Smartphones eignet, offenbart nach kurzer Google-Recherche einen weit tieferen Sinn: Der „Gesellschaftsspiegel“ von Ólafur Elíasson steht für Vielfalt, für einen Wandel ohne Pause und für die Diversität von Blickwinkeln. Eine Ansichtssache also – im wahrsten Sinne des Wortes. Der dänische Künstler mit den isländischen Wurzeln fokussiert sich in seinen Werken immer wieder auf grundlegende physikalische Phänomene wie etwa Licht, Wasser, Bewegung und Reflexion.

Dass gerade Großstädter*innen für ihre stechschrittartige Fortbewegung bekannt sind, ist nichts Neues. Doch genau an diesem Punkt setzt Elíasson an: einfach mal stehen bleiben, innehalten, gucken, genießen. Jederzeit, kostenlos, spontan, immer anders – und ohne über eine Plakette vorwegzunehmen, um was es sich genau handelt. Die beiden Installationen spoilern nicht; es ist egal, welche man zuerst entdeckt. Und wer sie nur durchschreitet, verpasst das Beste: Man muss sich aktiv und doch mühelos damit auseinandersetzen und wird für seine Neugier von einem eindrucksvollen Prisma in neun Metern Höhe belohnt.

Dunkel patiniertes Messing und Glas, mehr braucht es nicht, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Eingeweiht wurden die beiden Skulpturen in 2020 zur Fertigstellung der umfangreichen Restaurationsarbeiten am Alten Wall, Hamburgs heimlicher Mini-Prachtstraße in 1A-Lage zwischen Handelskammer und Rathaus. Die Kunstzeitschrift Monopol beschließt im Zusammenhang mit Elíassons „Gesellschaftsspiegel“ sogar eine ganz besonders romantische Hamburg-Analogie: „Die beiden Skulpturen können auch als ein Spiegel der hanseatischen Seele gesehen werden: In ihrer Erscheinung erinnern sie an ein Paar, das nach außen vornehm und zurückhaltend auftritt, im Inneren aber in vielen Facetten schillert und funkelt.“

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