Der Mieter als treibende Kraft

  • Abstrakte Illustration in Grüntönen einer futuristischen Stadt mit Wolkenkratzern

Ein trauriger Fakt: Die Baubranche ist bis dato alles andere als „zero waste“, „truly green“ – oder fachlich korrekt: „ESG-konform“. Und zahlreiche neue Gebäude werden gewerblich genutzt, daher ist es ein zukunftsrelevanter Faktor, auch als mietendes Unternehmen klare Nachhaltigkeitsstrategien zu verfolgen. Die Orientierung an den allgemeingültig definierten CO₂-Einsparzielen erhöhen die Anforderungen an die Vermietung von Büroflächen. Die Konsequenz verspricht Spannung und Kreation in einem: Bestandshalter sind aufgerufen, ihre Flächenangebote zu modernisieren. Und Developer müssen ihre Bauprojekte nach ambitionierten Standards konzipieren.

Dieser Artikel nimmt Bezug auf eine aktuelle Folge der Sendung „Colliers Talks“, in dem Rita Roland von PwC Deutschland, Dr. Joachim Gripp von Design Offices, Ralf-Jörg Kadenbach der Europa-Center AG und Andreas Trumpp sowie Cem Ergüney von Colliers linear erörtern, wie besagte Strategien konkret aussehen.

Was für uns als Immobilienspezialist*innen besonders interessant am Austausch der genannten Expert*innen ist: die komplett unterschiedlichen Blickwinkel, aus denen die gemeinsame Herausforderung beleuchtet wird. Alle Teilnehmer*innen des Talks vertreten unterschiedliche Interessen und haben andere Kundengruppen und -konstellationen, denen sie beratend, verkaufend und unterstützend zur Seite stehen.

ESG, drei Buchstaben mit maximalem Impact

Unternehmensverantwortung teilt sich grob in drei Dimensionen: „Environmental“, „Social“ und „Governance“. Dabei handelt es sich um drei Faktoren, die sich auf die ganz große Rechnung auswirken, denn sie entscheiden, wie weltweite Probleme gemeinsam und effektiv in den Griff bekommen werden können.

Wer wie Design Offices Coworking-Spaces und exklusiv mietbare Büroflächen an die Firma bringen möchte, sieht sich „in einer Sandwich-Position“, so Gripp: Sein Unternehmen vertritt beide Seiten, ist Nutzer und Vermieter zugleich, was außerhalb dieses konkreten Geschäftsmodells nicht häufig vorkommt. Was Gripp in erster Linie hervorhebt: das Thema Qualität. Nach neuester Definition ist Qualität ein ganzheitlicher Aspekt – und Nachhaltigkeit ist letztlich ein Teil davon. Während Deutschland sich auf eine umfassende Aufholjagd in diesem Bereich gefasst machen muss, verzeichnet Design Offices auf dem internationalen Markt jedoch ein deutlich größeres Interesse an ESG-konformen Lösungen.

Wovon man als Mieter eines flexiblen, gehosteten Office definitiv und ohne individuellen Aufwand profitieren kann, ist das Modell, das „Klimabilanz as a Service“ genannt werden könnte: Vermieter sind verantwortlich und reichen Daten an Mieter weiter, die diese nutzen können, sie kaufen den Treibhausgasausgleich quasi mit ein und umgehen die eigene Rechenschaftspflicht. Falls Sie es nicht wussten: Entweder wird ein Gebäude anhand seiner Greenhouse-Gas-Bilanz zertifiziert oder es findet eine konkrete Prüfung statt, auf Anfrage sogar durch den deutschen TÜV.

„Die tiefgreifenden Veränderungen in der Welt bedeuten, dass unsere Kunden nur dann erfolgreich sein können, wenn sie selbst einen positiven Kreislauf aus Vertrauen und nachhaltigen Ergebnissen schaffen. Wir können ihnen helfen, nicht nur Werte für Aktionäre und Stakeholder zu schaffen, sondern für die Gesellschaft als Ganzes.“

– Bob Moritz, PwC

Zum Stimmungsbild am Büromarkt, im Investmentbereich und in der Wirtschaft tragen Insights bei, die Andreas Trumpp von Colliers liefert: Neubau- und Bestandsmaßnahmen müssen sich heute wirklich lohnen. Diese Zurückhaltung führe dazu, dass „der Büromarkt der wirtschaftlichen Entwicklung zwei bis vier Quartale hinterherläuft.“ Doch das muss nichts Schlechtes bedeuten, denn auch diese Erkenntnisse basieren nur auf Trends.

Neue Bürokonzepte, Fluch und Segen: Wie werden wir in Zukunft arbeiten? Wer kommt ins Büro? Warum und wie oft? Wie erreichen wir eine attraktive Arbeitswelt? Geht es um Flächen von rund 1.000 Quadratmetern, wie sie von kleinen und mittelständischen Unternehmen nachgefragt werden, sind die vorgenommenen Maßnahmen und Methoden auf dem Weg zum Ziel noch überschaubar. Doch besieht man sich für Projektentwickler und international agierende Konzerne interessante Flächen in der Größenordnung ab etwa 5.000 Quadratmeter, so stellt eine aktuelle Colliers-Statistik (Stand: September 2022) fest, dass „eine starkes Zögern spürbar ist und die drohende Rezession einen starken Impact hat“, so Trumpp. „Die bereits angesprochene Aufholjagd im aktuellen Marktumfeld schlägt sich vor allem darin nieder, dass Projekte verspätet vollendet werden, maximal jedoch um zwölf Monate, wie wir herausgefunden haben. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass das eine oder andere Projekt auch gar nicht gelauncht wird.“

Fragen über Fragen: Wer trägt die Mehrkosten am Ende? Wie lassen sich Wirtschaftlichkeit und ESG-Konformität unter einen Hut bringen? Bekommt man die Mehrkosten von durchschnittlich rund 20 Prozent vom Mietmarkt wieder? Wenn die Bestandsmieten hochgehen, gehen die Neubaumieten dann auch hoch? Bei steigenden Leerständen, erklärt Ralf-Jörg Kadenbach, habe er die Befürchtung, dass letztere Rechnung aufgeht. Nicht alle Mietverträge seien CPI-indexiert und unterlägen also dem Verbraucherpreisindex und der Inflationsrate. Ein Anwachsen der Leerstände könne an manchen Standorten allerdings auch einen dämpfenden Effekt auf die Mieten haben. So viel zum Thema Trends.

„Die sechs Prozent Steigerung der Mietkosten, die wir bis 2026 sehen, sind im Vergleich zu vergangenen Dekaden unterdurchschnittlich und somit in einem beherrschbaren Bereich. Wir sprechen hier immer von einem Korridor“, fügt Trumpp hinzu. Handelt es sich also um eine selektive Wahrnehmung der Menschen im Zusammenhang mit der globalen wirtschaftlichen, politischen und ökologischen Lage? Sehen wir der Zukunft düsterer entgegen als nötig? Platt gesagt: Führt etwa eine akute Materialknappheit nicht letztlich zu Kreativität, wie es uns die Geschichte gelehrt hat? Und wie lange wird ein solcher aus der Not geborener Innovationsprozess dauern?

Welche Kostenpositionen sind ganz daher neu einzubeziehen und kommen in Zukunft auf die beteiligten Instanzen und Gewerke zu? Rita Roland, die bei PwC Kunden zum Thema Wirtschaftlichkeit berät, hat sich sehr ausführlich mit dem Aspekt „Rechnet sich das denn überhaupt?“ beschäftigt. Wollen Kunden Fläche reduzieren und wenn ja, wie viel? „Unsere Analysen zeigen, dass Unternehmen aufgrund von Hybrid- und Homeoffice-Modellen mindestens um 20 Prozent reduzieren wollen“, berichtet Roland und gibt damit einen Ausblick auf die Zukunft: Wieso nicht diese konkreten Einsparungen als cleveren Hebel nutzen und sie direkt in ESG-Initiativen reinvestieren, die sich schon nach zehn Jahren rechnen können? Nachhaltigkeit und Energieeffizienz können gelebte Werte sein und werden, konkrete Beispiele hat Roland schon an der Hand. Zu einem ganzheitlichen Ansatz und zu einer globalen Strategie gehört, aus ESG-Konformität entstehende Mehrkosten als selbstverständlich und unumgänglich anzusehen, findet sie.

„Als Unternehmensgruppe sind wir selbst Nutzer – wenn wir also ESG-Maßnahmen umsetzen, kommen wir schnell in einen Corporate-Ansatz, in dem Look & Feel eine tragende Rolle spielen. An den Aufzügen in unserem Frankfurter Standort hat der Vermieter Bewegungsmelder angebracht – davor waren die Lichter immer an.“ Wird durch öffentliche Beleuchtung Energie gespart, muss sich das menschliche Auge buchstäblich daran gewöhnen, zum Beispiel in Innenstädten und Einkaufsstraßen. Die Schaufensterbeleuchtung ist nachts aus (tagsüber heißt es zudem häufig: „Tür zu, Laden auf“). „Wir sprechen hier von einem relativ großen Change-Prozess. Man muss bestimmte Sachen jetzt machen, auch wenn sie wehtun oder weniger komfortabel sind als vorher. In A-Standorten ist das relevant, in B-Lagen können viele mit dem Begriff ,ESG‘ noch nichts anfangen – da gibt es noch relativ viele konservative Strukturen, da ist ESG aber auch oft ein Luxusproblem“, so Roland weiter.

Teppichböden aus alten Fischernetzen

Sie bringt auch Beispiele gelebter Realität is Spiel, die nicht nur auf die Corporate Identity einzalen, sondern durch Kreativität Hürden überwinden. Angefangen bei eigener Fotovoltaikanlage und eigenem Blockheizkraftwerk, weiter zu den Lieferketten. „Mein Büro ist im Tower 185, dort gibt es beispielsweise immens viele Ladestationen in der Tiefgarage. Außerdem fragen wir uns: Wo sind unsere Möbel her? Da gibt es viele kleine initiativen wie das Recycling von gebrauchten Konferenz- und Schreibtischen, daraus werden für die neuen Büros unsere Locker gemacht. Und unsere Teppichböden bestehen aus alten Fischernetzen.“ Diese Trends sind ein Treiber: Erst geht es bei praktischen Umsetzungsmaßnahmen und Zertifizierungen vor allem um innovatives Marketing, doch dann kommt irgendwann der Trickle-down-Effekt, sie werden zur Selbstverständlichkeit werden. Wir können also schlussfolgern: Offensichtlich oder weniger offensichtlich, jede Initiative zur Umsetzung von ESG-Maßnahmen zahlt sich aus.

Diese Website verwendet Cookies

Dazu gehören wichtige Cookies, die für das Funktionieren der Website notwendig sind, sowie andere, die nur für anonyme statistische Zwecke, für Komfort-Einstellungen oder zur Anzeige personalisierter Inhalte verwendet werden. Sie können selbst entscheiden, welche Kategorien Sie zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass je nach Ihren Einstellungen möglicherweise nicht alle Funktionen der Website zur Verfügung stehen.

Diese Website verwendet Cookies

Dazu gehören wichtige Cookies, die für das Funktionieren der Website notwendig sind, sowie andere, die nur für anonyme statistische Zwecke, für Komfort-Einstellungen oder zur Anzeige personalisierter Inhalte verwendet werden. Sie können selbst entscheiden, welche Kategorien Sie zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass je nach Ihren Einstellungen möglicherweise nicht alle Funktionen der Website zur Verfügung stehen.

Ihre Cookie-Einstellungen wurden gespeichert.