Retail-Report 2022
Ein weiteres spannendes Thema in unserer Rubrik „Tacheles“: Wie verändert sich der Einzelhandel in Deutschland? Was ist eigentlich von dem massiven Druck übrig geblieben, den die Pandemie auf den Handel ausgeübt hat? Und wie steht es um das Rennen zwischen Online und Offline, während angeblich niemand mehr physische Läden besuchen möchte und parallel dazu ältere Bevölkerungsgruppen immer digitaler werden? Und wie stellen sich die Deutschen die Zukunft des Einkaufens vor?
Das Jahr 2022 neigt sich dem Ende zu. Perfekte Zeit also, das Konsumverhalten der Deutschen noch einmal genauer in den Blick zu nehmen und die Situation zwischen stationärem und Onlinehandel Revue passieren zu lassen. Dabei liefert uns die Auswertung des aktuellen „Retail Report 2022“ von Appinio und Spryker spannende Insights und detaillierte Argumente rund um Gewohnheiten, Kaufentscheidungen und Innovationsansätze im Bereich Retail. Hinter dem Link oben finden sich alle Facts & Figures zum detaillierten Nachlesen.
Eine Tatsache, bei der sich die Uhr nicht mehr zurückdrehen lässt: Die Hälfte aller Deutschen shoppt am liebsten online mit Lieferung bis an die eigene Haustür. Hinzu kommt das Motto „mobile first“ – 80 % aller Befragten nutzen zum Einkauf online ihr Smartphone oder Tablet (im internationalen Vergleich sieht es übrigens sehr ähnlich aus). Um sich den nicht nur pandemiebedingten Veränderungen am Markt agil anpassen zu können, müssen Unternehmen eine möglichst nahtlose Online-Offline-Experience bieten. Zu diesem Übergang zählen anspruchsvolle Faktoren wie Bestellung und Rückgabe, Vielfalt an und Informationsbeschaffung zu Produkten. Zudem scheint die genannte Nahtlosigkeit den Deutschen besonders wichtig zu sein – ganze 73 % der Befragten betonten diesen Service als wichtig. Die Baby-Boomer-Generation fällt hier besonders auf: In allen anderen Altersgruppe wird reines Onlineshopping präferiert. Diese Werte ebnen also zahlreichen Argumenten für den stationären Handel den Weg.
Es folgen ein paar Kennzahlen im Überblick:
- Etwa 30 % gehen bis zu dreimal pro Woche in einem Geschäft einkaufen. Ein Drittel davon sogar täglich. Nicht zuletzt gilt bei vielen Deutschen der Vorsatz „shop local“, der sich in den Antworten von rund 30 % der Befragten widerspiegelt.
- Die Hälfte ist immerhin überzeugt, dass der stationäre Handel in Zukunft eine Rolle spielen und weiterhin mit dem Onlineshopping Hand in Hand gehen wird.
- Darüber liegt das wichtigste Argument in der Möglichkeit, die Produkte vor dem Kauf live sehen und auch anfassen zu können – dicht gefolgt vom Einkaufserlebnis, das die Befragten nicht missen möchten.
„Das Geheimnis liegt darin, wertstiftende Momente innerhalb der Customer Journey zu schaffen und zu integrieren“, erklärt Markus Fuchshofen von bonprix. Im Übrigen eine nennenswerte Marke zum Stichwort Retail-Innovation: bonprix startete 1997 mit Katalogshopping, setzte später auf reines Online-Shopping und ermöglicht seinen Kund*innen seit einigen Jahren sogar hybrides Brick-and-Mortar-Shopping in ausgewählten deutschen Innenstädten.
- Apropos Experience: 72 % der Befragten finden einen guten Kundenservice beim Einkaufen unerlässlich. Die Kundenberatung muss Rede und Antwort stehen können und auf der Fläche einfach ansprechbar sein. Oft hilft im Vorfeld das Internet bereits bei der Recherche – vor allem bei größeren Anschaffungen.
„Innovate or die: Customer Experience ist einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren für moderne Unternehmen geworden. Egal, ob ein Unternehmen in der digitalen oder realen Welt stattfindet, die Priorisierung der Shopping Experience bestimmt maßgeblich die Kundenzufriedenheit und Loyalität“, sagt E-Commerce-Experte Alexander Graf von Spryker.
- Hingegen aller Vorurteile lassen junge Menschen in Deutschland den stationären Handel aufatmen: Die GenZ gibt im Vergleich zu den anderen Altersgruppen mit 35 % am häufigsten an, einfach gern in Geschäften zu shoppen. Überraschend sagen Millennials zudem mit der größten Wahrscheinlichkeit, dass ihnen die Sicherheit ihrer Daten wichtig ist und sie deshalb lieber offline shoppen.
- Weiter interessant ist auch die Diskrepanz in der Informationsbeschaffung. Fast die Hälfte aller GenZ und Millennials schauen sich die Social-Media-Accounts von Marken an, die sie konsumieren oder konsumieren möchten. Überdies geben 42 % von ihnen an, Freunde und Familie um Rat zu fragen, bevor eine Anschaffung getätigt wird. Besonders spannend ist hier der Selbstständigkeitsfaktor der jungen Generation: 35 % der befragten Millennials sind bereit, sich gezielt Tutorials oder Ratgeber-Videos anzusehen oder gar eine Service-Rufnummer zu googlen, um sich Hilfe zu suchen.
- Welche Produkte wurden in 2022 vorwiegend offline erworben? Unsere Grafik rechts oben gibt Aufschluss darüber: Bekleidung und Pflanzen werden über alle Altersgruppen hinweg immer noch lieber offline erstanden.
- Ein abschließender Fun Fact: Wir Deutsche sind besonders ungeduldig! Im internationalen Vergleich fällt auf, dass Offline-Shopping meist aus dem Grund vorgezogen wird, nicht auf die Ware warten zu wollen. Lange Versandzeiten und Unsicherheit bei einer zuverlässigen Zustellung schrecken demnach ab; auf der anderen Seite jedoch finde man im Web schneller, wonach man suche. (Und diese Aussagen wurden sogar altersunabhängig getroffen!)