Der LEH wird zum Star

Experience wird mittlerweile großgeschrieben, wenn es ums Einkaufen geht. Dass dieser Trend auch vor dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH) nicht Halt macht, beweisen vielversprechende Konzepte und erfolgreich aufgegleiste Projekte in ganz Europa.

Seit das Liefernlassen ganz normaler Lebensmittel für viele von uns Alltag geworden ist, müssen Brick-and-Mortar-Supermärkte noch eine Schippe drauflegen in Sachen Kund*innenbindung. Deutschland reitet in diesem Bereich noch nicht avantgardistisch voran, doch tun sich allerhand innovative Beispiele aus unseren Landen hervor. Besonders kreativ wird es allerdings in der geografischen Nachbarschaft: Die Niederlanden, Österreich und die Schweiz machen vor, wie völlig neuartige LEH-Konzepte in die Tat umgesetzt werden.

Das Magazin FRAME titelte Ende des letzten Jahres „The supermarket needs to make a comeback“. Und in Zeiten von Placemaking & Co. stimmt das durchaus: Mehrzweck-Lösungen, mehr Öffentlichkeit, mehr Inklusion. Die niederländische Supermarktkette Jumbo führte in 2022 zum Beispiel Chat Checkouts ein, die vor allem bei älteren Menschen (und nach der Pandemie) gegen Einsamkeit wirken sollen. Und wer es lieber still und effizient mag, benutzt einfach eine Selbstbedienungskasse – die hat IKEA übrigens schon 2016 erfolgreich nach Deutschland gebracht.

Mit der gelben IKEA-Tüte nach Hause? Mutig!

„Click & Collect“ hat zugegebenermaßen Argumente für sich, die eher praktischer Natur sind, doch Soft Facts wie Aufenthaltsqualität, Einrichtungskonzepte oder die schiere Produktpräsentation rücken aktuell immer öfter in den Mittelpunkt: SuperHub in Groningen beweist sich mit einer zirkulär gedachten Vision der traditionellen Markthallenaufmachung und ist ausdrücklich als interaktiver sozialer Raum konzipiert. Eine SPAR-Filiale in der österreichischen Steiermark wurde vollständig aus heimischem Holz errichtet – samt Baumschule auf dem 700 qm großen Flachdach.

Endlich die vierte Wand durchbrechen

Und dann ist da noch Migros, den ewigen Schoko-Sehnsuchtsort aller Schweiz-Tourist*innen: modular, flexibel, agil, skalierbar. Was für Gedanken zu „New Work“ gilt, wendet der LEH-Riese auf post-pandemische Einkaufserlebnisse an. Ein sogenannter Flexstore ist nicht nur besonders leicht im Umbau, er verbindet zudem einen Frischemarkt mit etwa lokaler Gastronomie und Veranstaltungen auf der Fläche. Dieser Ansatz gibt Einzelhändlern außerdem die Möglichkeit, den Mangel an Differenzierung in Bezug auf ihr Design und ihr Kund*innenerlebnis zu überwinden.

Folgt man der Ökotrophologin und Journalistin Katarina Schickling, lernt man schnell, dass in öffentlichen Blumenbeeten nicht schon aufgrund der Biodiversität auch Gemüse angepflanzt werden sollten. Mit noch etwas mehr Tiefgang klärt sie in ihrem Hörbuch „Besser einkaufen“ über den deutschen Lebensmittelmarkt auf – der nicht immer die Qualitäts- und Reifungsstandards erfüllt, die Verbraucher*innen beispielsweise in Frankreich oder Großbritannien gewohnt sind (dafür gilt Deutschland als kostengünstiges Einkaufsland gemessen an seinem BIP). Die steinharten Avocados und unreifen Südfrüchte landen also vor allem bei denen im Handel, die es nicht zu stören scheint: bei den Deutschen.

Macht das Einkaufen woanders mehr Spaß?

So weit, so kritisch. Doch hat REWE einen neuen Weg ersonnen, wie man zum Beispiel in weniger gut angebundenen Ortschaften frische Lebensmittel an die Person bringt. Und die Lösung ist so innovativ wie solidarisch – und nah am Gedanken der Mobilitätswende: der Einkaufsbus. Zusammen mit der Deutschen Bahn hat REWE einen 18 Meter langen Linienbus zum Supermarkt umgebaut, der von innen aussieht wie ein gut sortierter Späti. Dazu waren eine stärkere Klimaanlage und ein größerer Akku vonnöten, doch so kommt der Supermarkt-Bus nun acht Stunden ohne externe Stromversorgung aus.

Mobile Lösungen dieser Art kennt man in Deutschland bisher vor allem aus dem Kontext der Sozialarbeit (Bücherbus, Duschbus, Kältebus), doch könnte das REWE-Pilotprojekt dieser Form der kreativen Umnutzung schon bald den nötigen Rückenwind bescheren. Kluge Kommunikation könnte ihren Teil dazu beitragen – das Zauberwort lautet Rückbesinnung. Die Mittemacherin Katja Diehl hat es bereits gesagt: „Viele der Punkte, die in einer Community Verbesserung bedeuten, liegen in ihrer Vergangenheit: Städte waren Handelsorte, Begegnungsorte. Man konnte sich in den Innenhöfen begegnen, in den Treppenhäusern. Heute gehst du nur noch auf die Straße, wenn du einen Grund hast. Was einst die Funktion hatte, dass sich Menschen im echten Leben begegnen und austauschen, ist heute nicht mehr da oder wird nicht mehr dafür genutzt.“ Mehr Innovationspotenzial geht nicht!

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