Multi-Use auf ganzer Länge
Wie das Architekturbüro RKW die Theodor-Heuss-Brücke in Düsseldorf durch einen wahren Multifunktions-Neubau ersetzen will – und damit die Silhouette der Stadt neu prägen würde.
Öffentliche Bauprojekte in einer gewissen Preisklasse sorgen gewöhnlich für Diskussionsbedarf in der Bevölkerung. Wem nun die Hamburger Elbphilharmonie in den Kopf schießt, darf in Zukunft wohl an die „Green Bridge“ in Düsseldorf denken – denn ein spektakulärer Neuentwurf der großen Theodor-Heuss-Rheinbrücke stellt gerade alles bisher Dagewesene in den Schatten. Nicht nur soll das Projekt 700 Millionen Euro kosten, es geht auch über die Funktion und Nutzung einer herkömmlichen Brücke deutlich hinaus: Innovationskraft und Skepsis treffen aufeinander, obwohl der Handlungsbedarf laut Vertreter*innen der Stadt unumstritten ist.
„Wer auf frischen Wind wartet, darf nicht verschnupft sein, wenn er kommt.“
– Helmut Qualtinger
Düsseldorf ist bereits bekannt für seine architektonischen Highlights am Medienhafen. Doch der Inklusionsgedanke und die Innovationskraft des neuen Projekts sprechen für sich: Mobility, Naherholung, Wohnraum, Tourismus und Business in einem wären in dieser Form in Deutschland wohl einzigartig. Zudem steht der Bau für eine direkte Verbindung der nördlichen und östlichen Stadtgebiete.
Vorbilder zu bewohnbaren Brücken gibt es auf der Welt bereits zuhauf. Entlang eines breiten Zeitstrahls wären hier sowohl die historische London Bridge, die die Stadt bis 1831 schmückte, als auch ihre zukunftsträchtige Schwester „London Bridge 800“ zu nennen, deren Modell 2009 als Wettbewerbssieger ausgerufen wurde. Das Konzept „24/7 Sevilla“ ist eines der neuesten europäischen Beispiele zum Thema Multi-Use, während die „Ponte Vecchio“ in Florenz als eines der prominentesten Exemplare historisch bedeutsamer bewohnbarer Brücken zu nennen ist.
Die Möglichkeiten zur Mehrfachnutzung von Brücken sind bestechend: Die Fläche zur Überquerung existiert – ob zu Fuß, auf dem Rad, im Auto oder im ICE. Wieso den Bereich also seinem Selbstzweck überlassen? Angefangen bei der Luftqualität, die über großen Wasserflächen erwiesenermaßen besser ist. Hinzu kommen die aktuelle Verknappung von Wohnraum im urbanen Bereich sowie völlig neue Gelegenheiten, die Mobilitätswende voranzutreiben. Von Kreativität ganz zu schweigen. Somit bleibt die Frage: Wird Deutschland sich auch zu diesem Thema bei seinen europäischen Nachbarn eine Scheibe abschneiden?