Generös statt generisch

Der Hamburger Professor und Stadtforscher Thomas Krüger rechnet mit den deutschen Innenstädten ab – und fordert mehr Diversität, Kreativität und Kooperation. Und zwar genau jetzt.

Es ist ein bisschen egal, ob man im ostfriesischen Leer durch die Fußgängerzone läuft oder in Hamburg durch die Spitaler Straße. Die Geschäfte sind mehr oder weniger die gleichen. Und das ist auch so gewollt. Nun ja, es war einmal so gewollt – doch mittlerweile fällt den Vermietern das Prinzip der Mietenmaximierung auf die Füße, nach dem die Erdgeschosse deutscher Innenstädte jahrzehntelang bewirtschaftet wurden.

„Ab 20:00 Uhr ist da tote Hose“ – eine Art kulturelle Bedrohung, die schon lange klar war, dann durch die Corona-bedingten Umsatzeinbrüche und Schließungen sehr plastisch auf uns zukam und mittlerweile gelebte Realität ist. Monothematik trifft auf Leerstand trifft auf … 1A-Lagen? Moment mal, das passt so nicht mehr zusammen. Das findet auch Thomas Krüger, Professor für Projektentwicklung in der Stadtplanung an der HafenCity Universität in Hamburg. Sein Forschungsschwerpunkt liegt in der Entwicklung urbaner Zentren, und er hat ein besonderes Lieblingsthema: nämlich den Niedergang der „City“, wie man sie kennt.

Der Forderung, die Innenstadt müsse wieder zum Unikat werden, kann man gar nicht so leicht nachkommen. Oder doch? Was es laut Thomas Krüger braucht, ist eine größere Diversität und damit die Umnutzung und Mischnutzung von freien Flächen. Natürlich mit Blick auf Kommerz, aber nicht so sehr „on the nose“. Der Schaufensterbummel muss wieder Freude bereiten und nicht nur das Onlineshopping ersetzen.

„Innenstadt ist eine Gemeinschaftsveranstaltung!“

Das Zauberwort heißt Public-Private-Partnership – laut Krüger die einzige Möglichkeit, unsere gewachsenen Zentren (für die wir ja eigentlich weltweit beneidet werden) nicht verwelken zu lassen und auch in Zukunft auf den Städtetourismus zählen zu können. Kreativität ist also gefragt, um verwaisten Büro- und Ladenflächen zu Leibe zu Rücken. Der Experte fordert weniger Statik und mehr Individualität. Wenn zugunsten des Charmes auf Franchise-Ketten verzichtet werden kann, dann beispielsweise im kulinarischen Bereich. Und an diesem kulturellen Zweig könnten viele weitere Angebote andocken: Denkt man an alle Tageszeiten, die der Mensch für sich nutzt, so kommt man im besten Fall auf 24 Stunden Auslastung am Platz – Frühstück, Fitnessstudio, Lunch, Shopping, Theater, Kino, Museum, Galerie, Dinner, Clubbing … und wieder von vorn. Oberhalb der Erdgeschosse wird währenddessen gearbeitet und sogar gewohnt.

Doch wie kann man Kommunen dazu motivieren, sich an ein so umfangreiches Rebranding heranzutrauen? Da kein Rathaus allein den Schalter umlegen kann, plädiert Krüger bereits im Sommer 2020 für einen klaren Deal: „Liebe Vermieter, Händler, Gastronomen, Kulturschaffende und Investoren, setzt euch bitte zusammen und macht Vorschläge. Erstens, was ihr selbst tun könnt – und dann zweitens, was ihr von uns möchtet. Und dann machen wir auch mit. Innenstadt ist eine Gemeinschaftsveranstaltung!“ (Quelle: Spiegel Online)

Und wenn zu guter Letzt nicht nur die umsatzstärksten Instanzen berücksichtigt werden, sondern auch niedrigschwellige, nischige und alternative Angebote eine Chance bekommen und parallel auf das Ambiente innerhalb der städtischen Infrastruktur eingezahlt wird, entsteht ein lebenswerter Prototyp. Thomas Krüger vergleicht dieses Fusionskonzept mit einem Campus: Diversity durch Anlaufstellen und Zerstreuung. Allerdings bedingt sich diese langfristig nur durch eine Korrektur der Mieten und der Werte. Nur so kann aus dem Unwort „Innenstadt“ ein sexy „Quartier“ werden.

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